Bericht des Organisationsteams (Sabine Würth, Thomas Finkenzeller, Günter Amesberger)
Die 52. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie vom 21. bis 23. Mai 2020 in Salzburg war eine Besondere. Nicht nur, weil sie nach 2010 zum zweiten Mal in Österreich stattfinden sollte, sondern auch, weil sie dort dann gar nicht stattfand. Zumindest nicht so, wie wir es gewohnt sind.
Aber der Reihe nach.
Anfang März 2020 liefen die Vorbereitungen für die Tagung in Salzburg auf Hochtouren. Eine Anzahl von 218 Beitragseinreichungen lagen zur Begutachtung vor, darunter 12 Symposien, 6 Integrative Workshops, 67 Einzelbeiträge und 51 Poster. Ergänzt durch 13 Praxisworkshops, 3 Keynotes, 4 Position Statements, 2 Podiumsdiskussionen, eine Senior Lecture sowie die Verleihung des Erwin-Hahn-Studienpreises, des Theoriepreises der DGPs sowie des Posterpreises der Veranstalter wuchs in uns die Vorfreude auf ein hochkarätiges Tagungsprogramm und nicht zuletzt einige stimmungsvolle Tage in der Salzburger Altstadt, gekrönt von Stiegl-Bier und Mozartkugeln.
Es kam der 11. März, und alles war anders. Der nationale und bald auch internationale Shut Down zur Bekämpfung des Corona-Virus drängte nach einer schnellen Lösung, was die Tagungsausrichtung anbelangte. Weltweite Reise- und Kontaktverbote machten eine Präsenztagung unmöglich. Eilig einberufene Krisensitzungen mit dem asp Präsidium, dem IT Service und dem Zentrum für flexibles Lernen an der Universität Salzburg, und nicht zuletzt dem Programmierer unserer Tagungs-Website führten zu einer Entscheidung, die eine Herausforderung der besonderen Art an uns stellte: die Ausrichtung einer virtuellen Online-Tagung.
So galt es, in den folgenden 10 Wochen u.a.
- Ein komplett neues Registrierungssystem aufzusetzen, inkl. Stornierung und Rücküberweisung bereits getätigter Zahlungen sowie einer Neu-Anmeldung für die Tagung und Praxisworkhops,
- Die Einarbeitung in das Videokonferenz-Tool Cisco-Webex Meetings,
- Die grundlegende Überarbeitung und Ergänzung der Website, um Räume für die Posterpräsentationen und das interaktive Programm zu schaffen,
- Die Neustrukturierung des Programms auf Basis der verbleibenden Beiträge,
- Die Bereitschaft der eingeladenen Referent/inn/en (Keynote-Vorträge, Position Statements und Senior Lecture) zu sichern, auch virtuell vorzutragen,
- Die Logistik der Webex-Meetings aufzusetzen und zu testen (Gastgeber-Rolle, Präsentationen und Videos teilen etc.),
- Videodeskriptionen, Quick-Guides und Informationen zu den einzelnen virtuellen Formaten zu verfassen und den Referent/inn/en und Gästen zur Verfügung zu stellen,
- Referent/inn/en in Webex einzuschulen, Systemchecks vorzunehmen,
- und nicht zuletzt ein internes Team von Webex-Gastgeber/innen zu rekrutieren, das den Mut und das Engagement aufbrachte, die einzelnen Sessions mit technischem und fachlichem Know-How zu unterstützen.
Ein Kernteam von letztlich fünf Personen verbrachte fortan Stunden und Tage damit, unter Home Office Bedingungen das Abenteuer Online-Tagung in die Tat umzusetzen.
Die Resonanz war überwältigend. Von den 218 eingereichten Beiträgen wurden lediglich 48 aus dem Programm zurückgezogen. Besonders betroffen waren hierbei leider die Integrativen Workshops, die naturgemäß von der analogen Interaktion der Teilnehmer/innen leben. Die Podiumsdiskussion wurde spontan auf das Thema „Online-Beratung – ist die Qualität gesichert?“ ausgerichtet und traf damit die aktuelle Situation im Leistungssport. Zehn Praxisworkshops stellten sich der Herausforderung, in einem virtuellen Raum zu aktuellen Themen in der sportpsychologischen Beratung und Betreuung zu arbeiten. 45 Posterreferent/inn/en, davon 32, die sich um die Posterpreise bewarben, erstellten Audio- und Videodeskriptionen und füllten mit großem Engagement und Einfallsreichtum die virtuellen Posterräume. Letztlich registrierten sich 314 Teilnehmer/innen für die erste virtuelle Online-Tagung der asp und warteten am 21. Mai vermutlich ähnlich gespannt wie wir, was auf sie zukommen würde.
Für uns waren es drei aufregende Tage. Insbesondere galt es, den technischen Herausforderungen gerecht zu werden und dabei einige Hürden zu überwinden. Wer hätte daran gedacht, dass der Run auf die Postersession den Server in die Knie zwingen würde? Wie schafft man es, dass alle Mikrofone stumm sind? Was passiert, wenn man ein Meeting sperrt, als Gastgeber/in den eigenen Raum verlässt und sich damit selbst aussperrt? Wer denkt daran, auch jede Session aufzuzeichnen? Warum verrutscht plötzlich ein Kalendereintrag um zwei Stunden? Unsere Hotline war im Dauereinsatz.
Es zeigte sich, dass das Videokonferenz-Tool Cisco Webex durchaus einige Tücken besitzt, die sich erst im „viralen“ Einsatz offenbarten. So wäre es z.B. schön, einen „Präsentationsmodus“ einschalten zu können, in dem alle Mikrofone der Zuhörenden automatisch stumm sind und auch bleiben – und nicht von den Teilnehmer/innen selbst wieder aktiviert werden können. Dies hätte verhindert, dass immer wieder Hintergrundgeräusche störten und die Gastgeber/innen im Dauereinsatz Mikrofone kontrollierten und ggf. stumm stellten.
Erschwert wurde die Organisation vor Ort dadurch, dass die Distanzregeln einzuhalten waren, in jedem Büro nur eine Person sitzen durfte, jeder Gang aus dem Zimmer eine Schutzmaske verlangte, insgesamt nur 12 Personen im Institut sein konnten. So saßen wir mit Headset auf den rauchenden Köpfen vor bis zu vier Bildschirmen und zwei Rechnern, steuerten im Multitasking Präsentationen, leiteten Diskussionen, schalteten Mikrofone an und aus, teilten Bildschirme, schossen Screenshots…und kommunizierten mit den Nachbarräumen über Whats App. Um wieviel leichter wäre es schon gewesen, wenigstens im Zweier-Team arbeiten zu können und „analoge und funktionale Arbeitsteilung“ zu machen…
Die Bewertung, wie „gut“ oder „schlecht“ nun die virtuelle Tagung über die Bühne ging, mögen unsere Gäste, unsere Referentinnen und Referenten und alle Teilnehmenden vornehmen. Der Evaluierungsbogen, den aktuell 49 Personen (Stand: 29.05.2020) ausgefüllt haben, gibt uns das Gefühl, einen ordentlichen Job geleistet zu haben. Die Gesamt(schul)note von 1,47 (SD = 0.95) würde dafürsprechen (Skala 1= sehr gut – 6=ungenügend). Neben vielen positiven und oft auch sehr persönlichen Rückmeldungen wurden viele konstruktive Verbesserungsvorschläge gemacht. So wurde der Wunsch, eine App mit individuell konfigurierbarem Programm bereitzustellen, ebenso benannt wie eine Verbesserung der Navigation auf der Website, eine Entzerrung des Programms, mehr virtuelle Räume für den individuellen Kleingruppen-Austausch, längere Pausen, weniger Überschneidungen von thematisch ähnlichen Programmpunkten, vereinfachte An-/Ummeldung für Praxisworkshops und Symposien und natürlich…mehr persönlichen, sprich: analogen Kontakt. All diesen Punkten wären wir natürlich gerne nachgekommen und geben sehr gerne alle Ihre wertvollen Anregungen an jene weiter, die vielleicht schon in naher Zukunft das „Abenteuer Online-Tagung“ selbst in Angriff nehmen müssen/dürfen/wollen.
Bleibt noch am Ende zu sagen, dass zwei Personen der Tagung die Note mangelhaft (5) ausgestellt haben, insbesondere aufgrund mangelnder Kompetenzen der Gastgeber/inn/en und deren Umgang mit Webex, fehlender Praxisrelevanz und einer schlechten Website. Diese „Residuen“ möchten wir Ihnen nicht vorenthalten – sie würden in der Gesamtstatistik untergehen, in den Standardabweichungen kaum sichtbar werden und zeigen uns letztlich, dass die (Co-)Konstruktion von Wirklichkeiten auch im virtuellen Raum ganz unterschiedlich sein kann und zu weiteren Reflexionen anregt. Und das ist gut so.
Für uns bleibt der Eindruck eines einmaligen Erlebnisses und das Gefühl, insbesondere den jungen Kolleg/inn/en ein Forum geboten zu haben, das unter den besonderen Umständen von vielen sehr wertgeschätzt wurde, Dies wurde auch im Evaluierungsfragebogen mehrfach benannt: die Möglichkeit, für die eigene Qualifizierung Credits zu sammeln – was aufgrund der Absage vieler Tagungen und Workshops kaum mehr möglich war; kostengünstig an einer wissenschaftlichen Tagung teilzunehmen und praxisorientierte Workshops zu besuchen; sich wertvolle Inputs von renommierten Kolleginnen und Kollegen zu holen; Mitzuerleben, wie eine virtuelle Online-Tagung abgehalten wird…
In diesem Sinne sagen wir noch einmal Danke an alle, die mit uns dieses Abenteuer einer virtuellen Online-Tagung in Salzburg eingegangen sind, wir entschuldigen uns für die „Hoppalas“ und freuen uns, dass doch viele offensichtlich sehr zufrieden waren: „Ihr wart der Online-Hit – wir sehen uns in Tübingen!“
Sabine Würth, Thomas Finkenzeller und Günter Amesberger