Karl-Feige Preis 2013 für Dr. Katrin Lehnert
– Studie zum Einfluss von Motiven auf Wohlbefinden durch Sport
Seit 1997 verleiht die asp alle zwei Jahre im Rahmen ihrer Jahrestagung den Karl-Feige Preis, benannt nach dem Ehrenvorsitzenden der asp. Der Preis zeichnet hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Sportpsychologie aus. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an Dr. Katrin Lehnert, Universität Hamburg, für ihre Dissertation „Differenzielle Wohlbefindenseffekte durch Sport – Der Erklärungsbeitrag von sportbezogenen Motiven und Zielen“.
Nach Auffassung der Gutachter behandelt die Arbeit ein aktuelles Thema mit hoher wissenschaftlich-theoretischer sowie anwendungsbezogener Bedeutung. Überzeugt hatte die Jury besonders, dass es sich um eine Arbeit aus dem Kern der Sportpsychologie handelt, nämlich den Motiven und der Motivation zum Sporttreiben.
Als Teil der Auszeichnung hatte Frau Dr. Lehnert auf der asp-Jahrestagung in Halle bereits ihre kumulative Dissertation auf Basis von drei bereits in renommierten Zeitschriften publizierten Studien in einem Festvortag vorgestellt. Im Interview gibt die Preisträgerin nun einen Überblick über die von ihr durchgeführten Studien.
In Ihrer Arbeit stehen Motive und Ziele des Sporttreibens im Mittelpunkt. Was war Ihre persönliche Motivation, sich mit diesem Thema zu befassen?
In meinem Umfeld habe ich häufig beobachtet, dass jemand zwar gerne Sportreiben würde oder sollte, zum Beispiel, weil es der Arzt empfohlen hat, aber es dann doch nicht macht. In wissenschaftlichen Untersuchungen wird Gesundheit zwar immer wieder als häufigstes Motiv genannt, es existieren aber zahlreiche weitere Motive, wie Leistung oder soziale Motive. Zudem können unterschiedliche Sportarten und -angebote selbst starke Anreize zum Sporttreiben schaffen. Dieser Aspekt wird wegen der starken gesundheitsorientierten Ausrichtung meist wenig beachtet. An der Universität Bern konnte ich in Zusammenarbeit mit Gordon Sudeck und Achim Conzelmann dieser Frage intensiv nachgehen. Ausgangspunkt war das Projekt „Welcher Sport für wen?“. In dem Projekt sollte die Wirksamkeit verschiedener Sportprogramme auf das Wohlbefinden und das Sportengagement überprüft werden, die auf die jeweiligen Motive von Menschen in der zweiten Lebenshälfte ausgerichtet waren.
Ihre Dissertation basiert auf drei Studien. Können Sie uns einen kurzen Überblick geben, was Sie in den einzelnen Studien erforscht haben?
Ausgangspunkt für den ersten Beitrag war die uneinheitliche Studienlage zum Einfluss von Sport auf das Wohlbefinden. Der theoretisch-analytische Artikel beschreibt, was unter subjektivem Wohlbefinden verstanden wird. Meist wird immer pauschal angenommen, dass Sport das Wohlbefinden positiv beeinflusst. Wie auch immer der Sport gestaltet ist und was auch immer unter Wohlbefinden verstanden wird. So einfach ist es aber meist nicht. Deshalb untersuchte ich, welcher Sport, wie etwa moderates Joggen oder intensive Spielsportarten, welche Facetten des Wohlbefindens von Befindlichkeit bis Lebenszufriedenheit beeinflusst und welche weiteren Faktoren eine Rolle spielen.
Was war der Inhalt der zweiten Studie?
Sie nimmt die Diagnostik sportspezifischer Motive und Ziele in den Fokus, also die Frage, wie die Vielfalt der persönlichen Motive und Ziele durch einen Fragebogen zuverlässig erfasst werden kann. Gleichzeitig sollte der Fragebogen die nötige Testökonomie aufweisen, das heißt so kurz wie möglich sein, um gut in Studien zur Anwendung zu kommen. Da diese Anforderungen durch bestehende Testinventare nur unbefriedigend erfüllt waren, haben wir mit dem Berner Motiv- und Zielinventar (BMZI) ein eigenes Instrument entwickelt. Das Inventar ist für Personen im mittleren und höheren Erwachsenenalter konzipiert und ermöglicht die individuelle Diagnose von Motiv- und Zielprofilen im Freizeit- und Gesundheitssport.
Wo liegt der Schwerpunkt des dritten Beitrags?
Er beschreibt, wie wir im Projekt „Welcher Sport für wen?“ anhand der individuellen Motivprofile verschiedene motivbasierte Sporttypen mit jeweils ähnlichen Motivprofilen ermittelt haben. Mithilfe eines statistischen Verfahrens konnten wir neun verschiedene Motivtypen identifizieren, die anhand weiterer individueller Handlungsvoraussetzungen wie etwa den motorischen Fähigkeiten näher beschrieben wurden.
So entstand zum Beispiel die Gruppe der figurbewussten Geselligen, für die soziale Kontakte im Sport ein zentrales Motiv zum Sporttreiben sind, während Stressabbau keine wichtige Rolle spielt.
Die insgesamt neun Sporttypen bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung zielgruppenorientierter Sportangebote. Diese wurden dann über ein Jahr durchgeführt und evaluiert. Zudem entstand auf der Basis dieser Typisierung eine Online-Sportberatung. Hier erfährt der Nutzer durch Ausfüllen des Fragebogens sein individuelles Motivprofil, erhält Informationen zu seinem motivbasierten Sporttyp und weiß am Ende mehr darüber, welche sportlichen Aktivitäten sich für ihn eignen könnten.
Die Verbindung der Studien, so die Meinung der Jury, führe zu weiteren Denkanstößen für die sportwissenschaftliche und besonders die sportpsychologische Forschung. Welche sich ableitenden Fragestellungen sind für Sie besonders „erforschenswert“?
Die spannendste Frage lautet: „Welche Sportaktivitäten führen bei welchen Personen unter welchen Randbedingungen zu welchen Wohlbefindenssteigerungen?“ Hier muss die sportwissenschaftliche Forschung zu den Themen Wohlbefinden und Gesundheitsverhalten zusammen gebracht werden, statt wie bisher unabhängig voneinander zu agieren. Inzwischen konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass positiv wahrgenommene Erlebnisse beim Sport für mehr Wohlbefinden sorgen und dazu führen, dass Menschen regelmäßig Sport treiben.
Konkret bedeutet das, eben nicht nur den objektiven Bedarf wie „Sport bei Rückenschmerzen“ in den Fokus zu nehmen, sondern weitere psychische Handlungsvoraussetzungen wie sportspezifische Motive und Ziele einzubeziehen.
Was war Ihre Motivation, nach der Promotion weiter an der Universität zu bleiben?
Eigentlich war dies nach der Dissertation nicht mein primäres Ziel, doch Ende 2011 stieß ich auf eine Ausschreibung der Nachwuchsinitiative der Universität Hamburg, in dem acht Stellen für zweijährige post-doc-Förderprojekte mit dem Ziel der Entwicklung, Konzipierung und Beantragung eines anschlussfähigen Drittmittelprojektes vergeben wurden. Man konnte sich mit einem Exposé zum geplanten Forschungsvorhaben bewerben.
Bereits seit meinem Studium der Psychologie und Sportwissenschaft war ich am Thema ADHS und Sport interessiert. Hieraus entwickelte ich meine Projektidee, die offensichtlich als so "förderungswürdig" eingestuft wurde, dass ich nun an meinem Wunschprojekt arbeiten kann.
In Ihrem Projekt geht es darum, Bewegungsangebote für Kinder mit ADHS-Symptomatik zu entwickeln und zu evaluieren. Inwieweit können Sie die in Ihrer Dissertation gewonnenen Erkenntnisse zum Thema Motivation für dieses Projekt nutzen?
Mehr noch als die Erkenntnisse zu motivationalen Aspekten fließen die auch dort wichtigen differenziellen Überlegungen in die Planung des Projekts ein.
Bisherige Studien zum Einfluss von Sport auf die ADHS-Symptomatik belegen den positiven Effekt. Dies zeigt sich einerseits auf der Verhaltensebene, etwa in den Kernsymptomen Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit, aber auch auf neuropsychologischer Ebene wie beispielsweise in der oft mangelhaften Verhaltenshemmung der Kinder.
Doch bisher wurde wenig spezifiziert, was genau die sportspezifischen Wirkungen bedingt. So ist denkbar, dass es vor allem die Intensität der Aktivität ist oder aber die kognitiven Anforderungen, die in den Sportarten enthalten sind wie z. B. die Flexibilität, die beim schnellen Umschalten einer Angriffs- auf eine Abwehrsituation gefordert ist. Hinzu kommt, dass es sich bei der ADHS um ein extrem heterogenes Störungsbild mit zahlreichen unterschiedlichen Subtypen handelt. Die Berücksichtigung und Einbeziehung dieser unterschiedlichen Faktoren ist deshalb Ziel meiner Konzeption eines Sportprogramms für Kinder mit ADHS.
Vielen Dank und viel Erfolg für Ihr aktuelles, hochspannendes Projekt!
Kontaktdaten:
Dr. Katrin Lehnert
Universität Hamburg
Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft,
Fachbereich Bewegungswissenschaft, Abteilung Bewegungs- und Sportpädagogik
Feldbrunnenstraße 70 - Raum 104, 20148 Hamburg
Telefon: +49 (0)40/42838-3583, E-Mail:
Literatur
• Lehnert. K., Sudeck, G. & Conzelmann, A. (2012). Subjective well-being and exercise in the second half of life: a critical review of theoretical approaches. European Review of Aging and Physical Activity, 9, 87-102.
• Lehnert, K., Sudeck, G. & Conzelmann, A. (2011). BMZI – Berner Motiv- und Zielinventar im Freizeit- und Gesundheitssport. Diagnostica, 57, 146-159.
• Sudeck, G., Lehnert, K. & Conzelmann, A. (2011). Motivbasierte Sporttypen – Auf dem Weg zur Personenorientierung im zielgruppenspezifischen Freizeit- und Gesundheitssport. Zeitschrift für Sportpsychologie, 18, 1-17.