Die Arbeitgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) in Deutschland hält den Spitzensport, allen voran die Fußball-Bundesliga, noch immer nicht für genügend sensibilisiert für psychische Erkrankungen wie Depression oder Burn-Out. „In vielen Fällen gehen monetäre Erwägungen weiterhin über moralische Ansprüche“, kritisierte der asp-Vorsitzende Prof. Dr. Manfred Wegner (Universität Kiel). Zudem würden solche Themen in Männer-Welten wie der Bundesliga bis auf wenige Ausnahmen weiterhin tabuisiert.
Die Diskussion ist neu aufgeflammt, nachdem am Montag bekannt wurde, dass sich mit Markus Miller vom Fußball-Bundesligisten Hannover 96 erneut ein Torwart wegen eines Burn-Outs in stationäre Behandlung begeben hat. „Nach dem Tod von Robert Enke hatte es fast zwei Jahre gedauert, bis sich etwas getan hat. Jetzt ist immerhin mit ´Mental gestärk´, einer Koordinationsstelle in Köln, eine Einrichtung entstanden, an die sich Sportlern und Sportlerinnen als Hilfestellung bei psychischen Schwierigkeiten wenden können“, meinte Prof. Dr. Manfred Wegner (Universität Kiel).
„Nur erreicht man noch zu wenig die Spieler und auch die Öffentlichkeit mit dieser Initiative. Wie es sich aktuell zeigt, wird sie in der Bundesliga fast gar nicht wahrgenommen. Sich mit psychischen Erkrankungen auseinander zu setzen, ist nicht publikumswirksam, die Bundesliga will funktionierende `Helden`. Dabei liegt bei den Clubs die Verantwortung, sich auch mit den individuellen Spielern auseinanderzusetzen und sie nicht zu schnell abzuschreiben. Eine psychische Erkrankung ist behandelbar, die Sportler und deren Kapital ist nach kurzer Zeit auch wieder zu nutzen. Es ist einfach zu wenig, dass der Erfolg über allem steht“, fordert Prof. Wegner eine viel stärkere Öffentlichkeitsarbeit für das Thema.
Die Forderung nach einem Psychologen bei jedem Fußball-Bundesligisten, die der Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, Prof. Dr. Florian Holsboer, erhoben hat, hält Prof. Wegner, allerdings für längst erfüllt. „Mittlerweile arbeitet so gut wie jeder Bundesligist mit einem Sportpsychologen zusammen. Sie müssen nur den entsprechenden Handlungsspielraum erhalten und in ihrer Arbeit unterstützt werden“, sagte Prof. Wegner.
Im März hatte ein Beirat - bestehend aus einem Vertreter der Robert-Enke-Stiftung, der Vereinigung der Vertragsfußballer (vdv) und dem Versicherer, der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) - die Koordinationsstelle „Mental gestärkt“ ins Leben gerufen. Erst jetzt wurde sie am Rande des Fußball-Länderspiels in Schalke der Öffentlichkeit vorgestellt. Die maßgeblich dem Kölner Sportpsychologen Prof. Dr. Jens Kleinert initiierte Koordinationsstelle soll für Notfälle eine Anlaufstelle sein.
Die asp, deren 310 Mitglieder eine Vielzahl von Spitzenverbänden und Fußball-Bundesligisten betreuen, bringt sich mit ihren Mitgliedern in eine Art Frühwarnsystem ein. „Der sportpsychologische Experte sollte schon frühzeitig Warnzeichen erkennen, aber auch in schwierigen seelischen Lagen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und die Überleitung in eine Therapie organisieren“, meinte Prof. Dr. Wegner. Das zweite Expertensystem soll sich präventiv um die frühzeitige Persönlichkeitsentwicklung von Sportlern kümmern. Im dritten Pool zur Therapie sind die Psychiater und Psychotherapeuten organisiert.