Thomas Schack wurde auf der diesjährigen ISSP Mitgliederversammlung in Peking am 23. Juli 2013 zum Vizepräsidenten der ISSP gewählt. Mit dem asp Praxisservice sprach Prof. Schack zu seinen Zielen im Verlauf seiner Amtszeit und zeigt auf wie ISSP und asp zukünftig voneinander profitieren können.
1. Herr Prof Schack, was sind die zentralen Themen der ISSP? Wofür setzt sich die Vereinigung ein?
Das übergreifende Ziel der ISSP als Organisation besteht darin, Strukturen für Forschung und professionelle Arbeit in der Disziplin Sportpsychologie international zu unterstützen und zu entwickeln. Dazu regt die ISSP beispielsweise als eine Art Dachorganisation den Austausch zwischen internationalen, regional aber stärker fokussierten (z.B. europäischen) Organisationen (etwa ASPASP; FEPSAC; ASSP; SOSUPE etc.) an. Sie unterstützt die Gründung weiterer Organisationen z.B. in Afrika und führt regelmäßig Sportpsychologie - Konferenzen in Ländern durch, in denen sich die Sportpsychologie gerade entwickelt, z.B. 2014 in Mexiko. Weiterhin ist die ISSP für die regelmäßige Organisation von Weltkongressen zuständig, die im Anschluss Möglichkeiten für einen internationalen und multidisziplinären Austausch eröffnen. Weiterhin gibt es strategische Arbeitsschwerpunkte. Dazu arbeitet das oberste Gremium der ISSP, das Managing Council (MC) in mehreren Abteilungen (Committees). Ein strategisches Ziel im Bereich Publikationen ist es beispielsweise, die internationale Sichtbarkeit des ISSP Journals (International Journal of Sportpsychology) zu verbessern und dort auch relevante Themenhefte (Special Issues) anzuregen. Weiterhin gibt die ISSP eine eigene Buchserie heraus, die internationale Themen und Autoren zusammenbringt. Hier steht das ISSP-Handbook: Fundamental Concepts in Sport & Exercise Psychology (FCSEP) kurz vor der Veröffentlichung. Wesentlich ist auch, dass die ISSP zu aktuellen Fragen der Sportpsychologie öffentlich Stellung (in sog. Position Stands im IJSEP) bezieht. Dies ist beispielsweise aktuell zum Thema „Neue Technologien in der Sportpsychologie“ oder „Soziale Aufgaben von Sport und Sportpsychologie“ geplant. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit im MC betrifft die Internationale Zertifizierung von Sportpsychologen. Mit diesem Thema werden wir uns beschäftigen und in Kooperation mit anderen Organisationen, wie der AASP klären, worin die Spezifik und Zweckmäßigkeit einer international gültigen Zertifizierung liegen könnte.
2. Wie sind Ihre wichtigsten Ziele im Amt des Vizepräsidenten der ISSP?
Ich möchte den Austausch über sportpsychologische Forschung und praktische Arbeit zwischen verschiedenen Ländern unterstützen und dabei auch solche Länder wie beispielsweise Mexiko, Brasilien und Kuba mit einbeziehen. Hier geht u.a. um die Frage, über welche Kooperationsstrukturen ein solcher Austausch möglich wird. Ich versuche selbst auch Strukturen für eine internationale Nachwuchsförderung (z.B. über Graduiertenschulen, Forschungsprojekte) anzuregen oder zu verantworten. Da in den letzten Jahren an vielen neuen Technologien, wie z.B. Virtueller Realität und Neurofeedback gearbeitet und geforscht wird, möchte ich dieses Thema stärker in den Fokus von Sportpsychologen stellen. Ein anderer Schwerpunkt an dem ich mitarbeite, ist die Zertifizierung sportpsychologischer Arbeit auf einer internationalen Ebene. Hierzu müssen zunächst Möglichkeiten geprüft und Gespräche mit kooperierenden Organisationen, z.B. AASP geführt werden.
3. Welche Verbindungspunkte gibt es zwischen der ISSP und der asp?
Die Verbindungspunkte liegen zunächst im Austausch von Informationen über Arbeitsschwerpunkte, Kongresse, Probleme und aktuelle Ziele. Aber es gibt auch Möglichkeiten zur strategischen Kooperation, etwa bei solchen Themen wie Zertifizierung oder bei der Frage, ob wir in der Zukunft einen Weltkongress in Deutschland durchführen sollten.
4. Welche Maßnahmen erscheinen zielführend, um den Austausch zwischen der ISSP und der ASP zu intensivieren?
In erster Linie der regelmäßige Austausch von Informationen über die jeweiligen Organe (Internet, Zeitschriften, Newsletter). Aber auch während der Teilnahme an Tagungen und Kongressen können Themen und strategische Fragen diskutiert und Gedanken ausgetauscht werden.
5. Wie sehen sie die Rolle und Stellenwert der Sportpsychologie in Deutschland im internationalen Vergleich?
Die deutsche Sportpsychologie ist in den letzten Jahren international sichtbarer geworden. Das sieht man anhand einer zunehmenden Anzahl internationaler Publikationen und anhand der deutschen Teilnehmer auf internationalen Konferenzen. Auch in internationalen Organisationen (z.B. FEPSAC, ISSP) sind wir vertreten. Die angewandte Sportpsychologie verankert sich in zunehmenden Maße in verschiedenen Sportarten des Leistungssport (z.B. Fußball, Golf). Damit steht die deutsche Sportpsychologie und die Kooperation mit relevanten Institutionen (wie z.B. asp; BiSP) im internationalen Vergleich gut da. Es gibt weiterhin teilweise einen regen Studentenaustauch mit Universitäten in Europa oder z.B. USA. Aufgrund der relativ großen Anzahl an Mitarbeitern im Bereich Sportwissenschaft/Sportpsychologie an Universitäten sollte dennoch die Forschung m.E. stärker auf internationale Kooperationen, Projekte und Publikationen orientieren. Das ist auch für das Standing und die Evaluation an deutschen Universitäten wichtig.
6. Welches Land stellt aus Ihrer Sicht innerhalb der sportpsychologischen Betreuung den „Benchmark“? Was könnte die sportpsychologische Praxisszene in Deutschland davon lernen?
Ich würde mich schwer tun, ein Land als „Benchmark“ zu definieren. Wir müssen immer auch das Sportsystem sehen, in das die sportpsychologische Praxisszene eingebettet ist und da gibt es durchaus interessante Strukturen in verschiedenen Ländern. Aus meiner Sicht ist die Ausbildung und Zertifizierung von sportpsychologischen Beratern und Betreuern beispielsweise in den USA gut entwickelt. Hier beginnt die praktische Übung mit Athleten und der Kontakt zu Leistungssportstrukturen bereits während des Studiums. Universitäten verfügen also über Institutionen oder Organisationen über die der Transfer von sportpsychologischem Know How läuft . Ich halte solche Räume für wesentlich, damit Erfahrungen frühzeitig gesammelt werden können und sich Studierende ausprobieren und einbringen. Wir müssen in Deutschland die Einstiegsmöglichkeiten in die praktische Arbeit in der Sportpsychologie deutlich verbessern.
7. Wie können sportpsychologische Forschung und Praxis zukünftig noch enger zusammenkommen?
Diese Frage wird seit Jahrzehnten gestellt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist der, dass für die Unterteilung von Sportpsychologie in Forschung und Praxis zunächst eine Differenz des Gegenstandsbereiches und/oder der Arbeitsweise nötig ist. Wenn dem so ist, ist es besser, Schnittflächen zu definieren, als diese sinnvolle Unterscheidung wieder minimieren zu wollen. Solche Schnittflächen liegen beispielsweise in der Diagnostik, die von der Forschung weiterentwickelt werden kann oder in der Etablierung neuer assisstiver Technologien. Sportpsychologische Forschung kann und sollte m.E. aber immer so konzipiert sein, dass die Ergebnisse, zumindest in einem strategischen Sinne, wieder praktisch verwertbar sind.
8. Was ist aus Ihrer Sicht ein internationaler Trend in der Sportpsychologie?
Ein neuer Trend liegt, wie bereits angedeutet, in der Nutzung und Etablierung von Technologien, die Umweltbedingungen simulieren oder Lernprozesse, Fehleranalyse, Diagnostik und Training unterstützen. Solche Technologien sind z.B. Räume oder Head Mounted Displays mit virtueller Realität, die bspw. Golfplätze simulieren oder Zusatzinformationen in eine spezielle Brille einspielen. Inzwischen können beispielsweise mit solchen Brillen gleichzeitig Augenbewegungen gemessen und Zusatzinformationen zur Aufmerksamkeitslenkung eingespielt werden. Sportpsychologen setzen sich immer stärker mit solchen Technologien auseinander, um neue Möglichkeiten für Diagnostik und psychologisches Training zu finden.
Zur Person
hat einen Doppelabschluss in Sportwissenschaft (Diplomlehrer) und Psychologie (Diplompsychologe) und an der TU Chemnitz zum Themenbereich Handlungskontrolle und Sportangst promoviert. Seine Habilitation schrieb er zum Thema "Kognitive Architektur menschlicher Bewegungen". Seit 2005 hat er an der Universität Bielefeld den Lehrstuhl für "Neurokognition und Bewegung" inne. Er ist Gründungsmitglied des Center of Excellence "Cognitive Interaction Technology" (CITEC). In der angewandten Sportpsychlogie leitet Thomas Schack das Professional Mental Trainings-Center (ProMent) an der Universität Bielefeld und ist in diesem Zusammenhang als Berater und Trainer im Leistungssport und in der Rehabilitation aktiv. Seit 2009 ist er Mitglied des Managing Councils der ISSP und seit diesem Jahr dessen Vizepräsident.