Sie sind zurzeit als Sportpsychologe zur Betreuung des DSV Teams bei der WM
in Shanghai. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem DSV?
Mit den Wasserspringern arbeite ich schon seit 2007. Die Arbeit begann damals zunächst mit einer Athletin. Diese Zusammenarbeit war so erfolgreich, das mich der Bundestrainer fragte, ob ich mir vorstellen könnte, mit der gesamten Nationalmannschaft zu arbeiten. Diese Herausforderung habe ich angenommen und wurde dann auch schon 2008 in das Olympia-Team als Sportpsychologe nominiert. Die Olympischen Spiele 2008 waren dann auch die erste große und sehr arbeitsreiche Erfahrung für mich. Nach Peking 2008 wurde Lutz Buschkow Sportdirektor im Deutschen Schwimmverband und berief mich zum leitenden Sportpsychologen des Schwimmverbandes. Seitdem koordiniere ich die sportpsychologische Arbeit in den vier Fachsparten des DSV und arbeite selbst praktisch immer noch mit den Wasserspringerinnen und -springern. Die Nominierung für die WM war daher keine Überraschung, da der DSV auf alle Fälle bis London 2012 mit mir als Partner im sportpsychologischen Bereich rechnet.
Welche spezifischen Schwerpunkte wurden für Ihre Arbeit während dieser WM festgelegt?
Die Schwerpunkte werden schon lange Zeit vor dem eigentlichen Großevent festgelegt, da wir im DSV die sportpsychologische Arbeit an die Trainingsperiodisierung anlehnen. Diese Planungen finden immer zu Beginn einer jeden Saison statt. Zurzeit befinden wir uns in der Unmittelbaren Wettkampfvorbereitung. Hier steht für mich das Screening der Erholungs-Belastungs-Bilanzen der Athleten im Vordergrund. Nebenbei habe ich noch eine Team-Building Maßnahme durchgeführt. Man darf ja nicht vergessen, dass die Athleten 11 Monate eines Jahres eigentlich "Gegner" sind und um Nationale Titel oder Qualifikationen für Internationale Wettkämpfe kämpfen. Für ein solches Großereignis wie die WM ist aber eine aufgaben- und sozialkohäsive Mannschaft enorm wichtig. Mit einzelnen Athleten arbeite ich dann auch noch, bei Bedarf, an individuellen Bedürfnissen.
Welche Aufgaben und Herausforderungen erwarten sie jetzt vor Ort?
Das Team hat die Aufgabe so viele Olympiaquotenplätze wie möglich zu erreichen. Für die Einzeldisziplinen im Wasserspringen bedeutet das, dass der Sportler einen Finalplatz unter den ersten 8 erreichen muss, die Synchrondisziplinen müssen sogar aufs Treppchen kommen. Das erzeugt natürlich einen großen Erwartungsdruck. Wir haben zwar schon im Vorfeld präventiv am Umgang mit Leistungserbringungen unter Druck gearbeitet, trotzdem ist dies dann im Einzelfall und im Ernstfall immer etwas ganz Spezielles. Wenn wir das Trainingslager hier in Xian beendet haben, ist meine Hauptaufgabe eigentlich im Wesentlichen erledigt. Vor Ort und während der Wettkämpfe kann ich nicht mehr viel machen, außer eventuell beim Debriefing moderieren, vor allen Dingen dann, wenn die Erwartungen der Athleten und Trainer nicht erfüllt werden konnten.
Sie waren erst im Trainingslager in Xian, jetzt bei den Wettkampfstätten in Shanghai. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
In der Vorbereitungswoche in Xian waren auch die Teams aus Großbritannien, Kanada und Norwegen. Das Trainingszentrum kennen wir schon ganz gut, weil wir hier eigentlich jedes Jahr zur Vorbereitung hinkommen. In der Breite betrachtet sind die Chinesen eben die besten Wasserspringer der Welt. Und die deutschen Wasserspringer messen sich eben immer sehr gerne mit den Besten. Die Stimmung aktuell ist sehr gut. Die Athleten trainieren sehr konzentriert. Im Moment passt alles.
Können Sie uns Ihren "Arbeitsalltag" schildern?
Morgens geht es bereits um 6.00 Uhr zum Frühstücken mit dem Team. Danach heißt es Trainingsbeobachtung, Analysieren von Daten (Erholungs-Belastungs-Fragebogen) mit anschließender Rückmeldung an Athleten und Trainer, Mittagspause mit gegebenenfalls Einzelgesprächen und nachmittags erneut Trainingsbeobachtung. Am Abend der sich schon mal bis 22.00 Uhr zieht folgt dann die Team-Sitzung und Planung des nächsten Tages.
Wie reagieren die Sportler auf sie in der Rolle des Psychologen?
Sehr positiv und offen. Die Athleten kennen mich ja nun auch schon seit fünf Jahren und da wir mit meiner Kollegin Ina Blazek bereits im Jugend- und Juniorenbereich sportpsychologisch arbeiten und wir in diesem Zusammenhang auch gemeinsam bei den Teams auftreten, bin ich kein "Neuer" für diejenigen, die neu in den A- und B-Kader hochrutschen. Da zahlt sich dann eben kontinuierliche und offen-konstruktive Arbeit mit dem Verband aus.
Haben Sie den Eindruck, dass die Arbeit mit Sportpsychologen mittlerweile "enttabuisiert" und anerkannter ist? Was bekommen Sie für ein Feedback?
Sportpsychologische Betreuung - Das ist bei den Wasserspringern überhaupt kein Thema mehr. Im Schwimmbereich haben wir da noch etwas mehr "Aufklärungsarbeit" zu leisten, aber insgesamt betrachtet ist die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen im Deutschen Schwimmverband kein Tabu mehr. Auch diesbezüglich rentiert sich eben die langfristig angelegte und kontinuierliche Arbeit im Verband. Das Feedback zu meiner Arbeit bekomme ich je nachdem direkt von den Athleten, aber auch von den Trainern. Nicht immer klappt alles so, wie ich mir das vorstelle und wie ich das geplant habe. Dann finde ich aber zumeist auch noch Möglichkeiten im Rahmen der Interkollegialen Intervision. Wir sind ja im Schwimmverband mittlerweile schon 10 Kolleginnen und Kollegen, die auf Honorarbasis für den DSV arbeiten.