Prominente Einzelfälle in den letzten Jahren haben dafür gesorgt, dass psychische Erkrankungen im Leistungssport immer mehr ins öffentliche Licht gerückt sind und diskutiert werden. Auch bei der größten Psychiatrie-Tagung in Europa, dem DGPPN-Kongress vom 24. bis 27. November 2010 in Berlin, gibt es ein Präsidentensymposium, das sich dem Thema der psychischen Erkrankungen bei Leistungssportlern widmet. Der asp-Vorsitzende Manfred Wegner ist gebeten worden, mit einem Vortrag die Position der Sportpsychologie zu vertreten. Hier ein Interview dazu.
Das Präsidialsymposium zum Thema „Psychische Erkrankungen bei Leistungssportlern“ beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie 2010 wird in Kooperation mit dem Deutschen Fußball Bund angeboten. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem DFB?
Auf die Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit wurde reagiert und so wurde im Frühjahr 2010 die Robert Enke Stiftung mit Unterstützung des DFB gegründet. Das Ziel der Stiftung ist es, Untersuchungen auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen bei Spitzensportlern anzustoßen, und generell die Aufklärungsarbeit und Prophylaxe zu fördern. Bei dieser Arbeit besteht eine enge Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Das Präsidialsymposium ist an prominenter Stelle platziert und umfasst neben der Preisverleihung des DGPPN-Antistigmapreises fünf Vorträge, die sich der Thematik der psychischen Erkrankungen im Leistungssport befassen. Der Präsident der DGPPN, Prof. Dr. Dr. Frank Schneider wird das Symposium in Kooperation mit Dr. Valentin Markser leiten. Dr. Markser hat u.a. auch Robert Enke betreut und gilt als der Motor in der DGPPN für dieses Thema. Durch die Verbindung zwischen Psychiatrie und Sportpsychologie soll generell das Betreuungssystem im Fußball und überhaupt im Profisport überdacht und verbessert werden. Auch dafür ist die prominente Stellung des Themas auf diesem Kongress natürlich wertvoll.
Können Sie als Sportpsychologe ein stärkeres Bewusstsein und eine stärkere Sensibilisierung z. Bsp. der Verantwortlichen beim DFB für das Thema psychische Auffälligkeiten bei Ihren Sportler registrieren? Wie schwer wiegen in diesem Zusammenhang die Fälle Sebastian Deisler oder Robert Enke?
Die Fälle fallen schon stark ins Gewicht, sonst wäre die Robert Enke Stiftung auch gar nicht gegründet worden. Allerdings sehe ich die Alarmlampe, die in dem psychisch fordernden Sportgeschäft blinken sollte, noch nicht. Vieles bleibt im normalen Geschäft und rangiert als „ business as usual“. Also es ist immer noch eher ungewöhnlich, sportpsychologische Gespräche zu führen. Über diesen Kongress, der thematisch passend zudem einen Presse-Roundtable, ein Diskussionsforum und weitere Lesungen anbietet, wird aber ein Stein ins Rollen gebracht, so dass sich die Verantwortlichen beim DFB und besonders bei den Proficlubs vielleicht künftig trauen, noch offensiver mit der Thematik umzugehen.
Womit beschäftigt sich Ihr Vortrag: Das sportpsychologische Betreuungssystem im Hochleistungssport: Ansätze und Perspektiven?
Ich werde unser sportpsychologisches Betreuungssystem vorstellen und maßgebliche Ansätze und Perspektiven ableiten. Ich möchte eine Lanze brechen für einen systemischen Ansatz, wo die Sportpsychologie dicht am Athleten und Trainer arbeitet. Das sportpsychologische Betreuungssystem im Spitzensport agiert auf der Leistungsebene zur Stabilisierung und Verbesserung psychischer Leistungskomponenten und hat nicht primär die Behandlung von psychischen Störungen und Krankheiten als Gegenstand. Bei auffälligen Sportlern ist aber unbedingt eine Überführung in das psychiatrische Behandlungssystem notwendig. Da derzeit beide Bereiche weitgehend unabhängig voneinander arbeiten, sollte es das Ziel sein, eine enge Verzahnung herzustellen.
Was muss das Thema „Psychische Erkrankungen im Leistungssport“ betrachtend künftig in Angriff genommen werden und welche Impulse kann die asp setzen?
Die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie in Deutschland setzt die Standards für den Qualifikationsbereich sportpsychologischer Betreuung. Mit dem Fortbildungssystem „Sportpsychologie im Leistungssport“ werden qualifizierte Personen fortgebildet, um mit Spitzenathleten und Spitzentrainern zu arbeiten. Das Thema der psychischen Erkrankungen bei Sportlern wird aber gerade im Leistungssportbereich weitgehend tabuisiert und stigmatisiert. Dabei sind psychische Erkrankungen erfolgreich behandelbar. Wichtig wäre hier die Bereitschaft, die angebotenen sportpsychologischen Betreuungsmaßnahmen noch stärker in die Trainingsroutinen zu integrieren und die Kooperation von Sportpsychologen mit den Trainern auszubauen. Wir als asp haben gute Kontakte zu zahlreichen Spitzenverbänden im DOSB, so zum Leichtathletik- oder Schwimmverband, aber wir haben eben auch noch andere Spitzenverbände, wo wir noch nicht ausreichend wahrgenommen werden. Wir müssen unsere Positionen noch klarer, noch offensiver vorstellen und zeigen, dass wir für eine qualitativ hochwertige psychologische Beratung stehen. Durch unsere gute Vernetzung können wir die Dienstleistungen auch im Spitzensport erweitern.
Nähere Informationen: www1.dgppn-kongress.de/guest/IDb2144c0e310ce5/SciProgramSessionsList