Das Berufsbild des Sportpsychologen war über lange Zeit sehr stark von der universitären Laufbahn geprägt. In den vergangenen Jahren sind Sportpsychologen immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, wenn es um die Betreuung von Athleten im Bereich des Spitzensports geht. Die Position des Sportpsychologen im Profisport sollte aber nur als Teil eines Gesamtsystems der Betreuung von Athleten und Mannschaften verstanden werden. Prof. Dr. Manfed Wegner, 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp), will mit seinem Verband öffentlichkeitswirksame Maßnahmen ergreifen, um das gesamte Spektrum der Arbeit der Sportpsychologen vorzustellen, und mehr Transparenz zu erreichen.
Zum generellen Verständnis: In welchen Bereichen ist die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) tätig?
Unser Verband ist innerhalb der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft organisiert. Wir sind der Berufsverband der wissenschaftlich arbeitenden Sportpsychologen, die in erster Linie an der Hochschule tätig sind und die Vertretung der im Anwendungsfeld des Präventions-, Rehabilitations- und Behindertensports und besonders des Leistungs- und Hochleistungssports tätigen Sportpsychologen.
Die Berufsgruppe des Sportpsychologen wird in der Öffentlichkeit immer sichtbarer und präsenter. Woran liegt das und wie gestaltet sich die Arbeit des Sportpsychologen?
Es ist festzustellen, dass wir Sportpsychologen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, wenn es um die Betreuung von Athleten im Bereich des Spitzensports geht. Dies ist allerdings eine Entwicklung, die von uns so gewollt ist und sich nunmehr über einen langen Zeitraum erstreckt. Kollegen aus unserem Feld waren bereits beratend bei den Olympischen Spielen, 1972, in München aktiv.
Die aktuelle Präsenz in den Nationalmannschaften geht auf die kontinuierliche Arbeit unseres Verbandes zurück. Sportpsychologen und Sportpsychologinnen werden in einem Fortbildungscurriculum gezielt auf die Arbeit mit Spitzenathleten und -athletinnen vorbereitet. Dies geschieht in enger Kooperation mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Dort wird eine Expertendatenbank geführt, in der nur qualifizierte Personen aufgenommen werden, die dann für die Kooperation mit Spitzensportlern empfohlen werden. Damit haben wir ein Instrument, mit dem wir die Qualitätsstandards für die Beratung von Spitzenathleten sichern können.
Dies hat sich in den letzten Jahren auch unter den Bundestrainern herum gesprochen und ist auf eine gute Akzeptanz gestoßen. Letztlich ist die größere Außenwirkung auf diesen kontinuierlichen Aufbau zurück zu führen. Denn mit der intensiven Betreuung haben besonders die Athleten aber auch die Trainer die anfängliche Scheu verloren, auch offensiv zu betonen, dass sie mit Experten aus der Sportpsychologie zusammen arbeiten und insgesamt davon profitiert haben.
Die ASP will verstärkt öffentlichkeitswirksame Maßnahmen ergreifen. Wodurch ist die Notwendigkeit entstanden, Anpassungen an der Außenwahrnehmung des Verbandes vorzunehmen?
Wir wollen unsere Arbeit noch transparenter machen und in geeigneter und weniger Effekt haschender Art auf die Qualitäten unserer sportpsychologischen Arbeit hinweisen. Die Sportpsychologie ist zumeist dann im Fokus der Öffentlichkeit, wenn die Medien über sportliche Großereignisse berichten. Unsere Arbeit ist aber mehr. Wir wirken u.a. auch sportpsychologisch in den Gesundheits-, Präventions- und Rehabilitationssport hinein, d.h. wir konzipieren und prüfen Programme, um sehr unterschiedliche Zielgruppen wie Übergewichtige, Ältere oder auch Menschen in der Rehabilitation oder mit Behinderungen nachhaltig an den Sport heranzuführen. Somit ist unsere Arbeit mehr als nur psychologische Betreuung von Spitzenathleten. Wir verzahnen theoretische Konzepte mit praktischer Umsetzung und prüfen und fundieren derartige Konzepte mit wissenschaftlichen Methoden. Diese Breite unserer Arbeit darzustellen, sehen wir als Aufgabe des Verbandes und wählen nun verschiedene Formen einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit.
Lange Zeit schien es ein Tabuthema zu sein, dass auch bekannte Sportler die Angebote von Sportpsychologen nutzen. Doch in letzter Zeit äußern sich immer mehr Sportler über ihre Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen. Wodurch kommt diese Enttabuisierung?
Ich würde nicht von einem Tabuthema sprechen, sondern von einer entsprechenden Zurückhaltung der Athleten. Nur wenige sind offensiv damit umgegangen, von Sportpsychologen betreut worden zu sein. Dies ist einerseits ein Phänomen, das hier in Deutschland gesellschaftlich verankert ist. Viele verbinden mit einer psychologischen Beratung den Zustand psychisch nicht normal zu sein oder nicht richtig zu „ticken“. Damit taucht auch immer wieder das Vorurteil, man müsse auf die „Couch“ auf.
Unsere sportpsychologische Arbeit ist vielleicht auch nicht immer in den vergangenen Jahrzehnten komfortabel über die Medien transportiert worden. Über psychologische Beratung und eine Zusammenarbeit mit Sportpsychologen zu sprechen fällt scheinbar anderen Nationalitäten leichter. Hier sind die USA oder Australien zu nennen, die sehr viel offensiver mit dem Mehrwert einer Kooperation mit Sportpsychologen umgehen.
Mittlerweile haben wir in Deutschland einen Reifungsprozess durch gemacht. Das betrifft die Qualität unserer Betreuungskonzepte aber auch den Abbau von Vorurteilen. Dies ist bspw. über gemeinsame Seminare oder Symposien gelungen, in denen Spitzentrainer und Sportpsychologen zusammen an Problembereichen gearbeitet haben. Diese Veranstaltungen sind gemeinsam vom DOSB und vom BISP mit Beteiligung der asp organisiert und durchgeführt worden, was dann auch die Verzahnung der Institutionen gefördert hat. Dies hat sich unmittelbar auf gemeinsame Betreuungsprojekte mit den Spitzenverbänden ausgewirkt. Mittelbare Folgen ist dann auch der offene Umgang vieler Athleten und Athletinnen.
Wie kann die Bedeutung der Arbeit der Sportpsychologen in die Öffentlichkeit transportiert werden?
Für unseren Verband ist es wichtig, die Normalität unserer sportpsychologischen Arbeit zu betonen. Wenn es uns gelänge, die diffusen Vorurteile zur Psychologie im Sport zu erhellen, wäre schon viel erreicht. Darüber hinaus ist uns die Nachhaltigkeit psychologischer Interventionen wichtig. Diese kann nur durch systematische Übung oder durch ein psychologisches Training erreicht werden. Das Stichwort ist die „Mentale Stärke“. Das bezieht sich auf die Veränderung des Lebensstils gesundheitsbezogener Verhaltensweisen genauso wie auf das Training psychologischer Fertigkeiten oder die Stärkung des Gruppenzusammenhalts einer Wettkampfmannschaft. Hier gilt es, das Spektrum unserer Arbeit vorzustellen und mehr Transparenz in unsere sportpsychologische Arbeit zu bringen.