Die Offenheit in Deutschland für eine sportpsychologische Betreuung im Spitzensport ist deutlich gestiegen, die Rahmenbedingungen sind aber bei weitem noch nicht optimal. Zu dieser Einschätzung kam Dr. Kai Engbert, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) in Deutschland, beim Pressegespräch vor Beginn der asp-Jahrestagung in Kiel. „Je früher bei den Sportlern und Sportlerinnen mit der Betreuung begonnen wird, umso zugänglicher werden sie für unsere Arbeit“, sagte Engbert, der als Sportpsychologe unter anderem Teile der alpinen Ski-Nationalmannschaft und den Kanu-Nationalkader betreut.
Auch der Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), Jürgen Fischer, bestätigte den positiven Trend in den letzten Jahren. „Früher galt es bei den Trainern, Verbänden und Funktionären viele Widerstände zu überwinden. Nun haben wir eine günstige Phase erreicht. Wir müssen jetzt etwas auf die Beine stellen, das dann dauerhaft überleben kann“, sagte Fischer. Die asp und das BISp haben gemeinsam eine Datenbank entwickelt, in der alle qualifizierten Sportpsychologen Aufnahme finden sollen und dann zur Vermittlung zur Verfügung stehen. Derzeit sind die beiden Partner bestrebt, die Qualität der Mitglieder dieser Datenbank sicherzustellen und weiter anzuheben.
„Die Sportpsychologie hilft den Spitzensportlern zum Einen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und zum Anderen darin, Mentale Stärke zu entwickeln und mit Drucksituationen besser umgehen zu können“, stellte der asp-Vorsitzende und Moderator des Pressegesprächs, Prof. Dr. Manfred Wegner, heraus Als besonderen Experten aus dem Spitzensport konnte Alfred Gislason, Trainer der besten deutschen Handball-Mannschaft, dem THW Kiel, gewonnen werden.
„Im Spitzenhandball sind wir in einer endlosen Schleife, denn unsere Saison ist extrem lang“, stellte Alfred Gislason, fest. Der Druck käme von außen und von innen. „Mit dem Druck von außen komme ich klar, aber der Druck von innen ist schwieriger. Es ist wie besessen zu sein“, meinte Gislason, der trotz der besten Saison seines Teams in der Bundesliga immer noch das allerletzte herausholen will.
Gerade in diesen selbst gesteckten Zielen sieht auch Dr. Engbert die Schwierigkeit. „Es geht um die richtige Balance“, sagte der Sportpsychologe. „Die Vermittlung der richtigen Kompetenz, mit solchen Drucksituationen richtig umzugehen, ist das Entscheidende.“ Durch falsch gesetzte Ziele droht der Spitzensportler, an der eigenen oder fremden Erwartung zu scheitern. Gerade Zuschauer-Kulissen können bei Heimspielen den vielfach beschriebenen Vorteil auch in das Gegenteil umschlagen lassen. „Gerade in entscheidenden Situationen kann es kippen, weil die Erwartungen der Fans viel zu hoch sind und die Realität bei weitem übertreffen“, meinte der Heidelberger Psychologe Prof. Dr. Henning Plessner, der sich vor allem im Fußball mit den Fans und den Schiedsrichtern beschäftigt.
Aus seiner Sicht ist vieles auf diesem Gebiet noch unerforscht. „Wir stecken hier noch in den Kinderschuhen“, meinte Prof. Plessner. Durch die deutliche Aufwertung der Sportpsychologie sieht der Heidelberger aber bessere Forschungsmöglichkeiten auf die Sportwissenschaft zu kommen.