Sie sind der koordinierende Verantwortliche für den Einsatz der Sportpsychologen für London 2012. Wie verlaufen die Planungen? Wie ist der momentane Stand der Arbeiten?
Hinsichtlich der Vorbereitung auf London laufen die Planungen bereits seit 3 Jahren, im November wird es ein erstes Vorbereitungstreffen der in den olympischen Spitzenverbänden tätigen Psychologen geben. Im Frühjahr gibt es ein weiteres Koordinierungstreffen gemeinsam mit den Ärzten und Physiotherapeuten. Und wenn feststeht, wer definitiv zu den Spielen nach London reisen wird, wird sich diese Gruppe vorher auch bei einem letzten Vorbereitungstreffen austauschen. Die Zentrale Koordination Sportpsychologie des DOSB, deren Leitung mir übertragen wurde, soll die sportpsychologische Betreuung in der olympischen Spitzenverbänden koordinieren und deren Qualität sichern. Diese Initiative des DOSB besteht seit 2002 und mittlerweile können wir davon ausgehen, dass – auch in enger Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft und den Olympiastützpunkten – sehr gute strukturelle Bedingungen für die sportpsychologische Betreuung der olympischen Spitzenverbände vorzufinden sind und auch nahezu jeder Spitzenverband mittlerweile mit Sportpsychologen zusammenarbeitet.
Wichtig ist uns, dass die Arbeit der Sportpsychologen in den Verbänden kontinuierlich verläuft und somit eine langfristige psychologische Vorbereitung der Sportler auf die Olympischen Spiele sichergestellt ist.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl geeigneter Sportpsychologen für das anstehende Großevent?
Die Betreuergröße hängt von der Gesamtgröße der Olympiamannschaft ab. Nominiert wird durch das DOSB-Präsidium, die olympischen Spitzenverbände schlagen vor. Die Nominierung der Trainer, Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen erfolgt auf der letzten Nominierungssitzung im Juli 2012, weil dann erst die Mannschaftsgröße und damit dann auch die Betreuerquote fest steht. Die größeren Teilmannschaften haben auch eine größere Betreuerquote und damit die Chance, einen Sportpsychologen nominiert zu bekommen.
Es ist uns sehr wichtig, dass der Psychologe, der bereits seit ein paar Jahren im Spitzenverband arbeitet und auch dort mit den Sportlern und Trainern ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, gegebenfalls auch sein Team dann in London bei den Olympischen Spielen betreut. Das heißt es gibt keinen Psychologen für das gesamte Olympiateam, es werden auch nicht Psychologen für London ausgewählt, sondern der für den Spitzenverband tätige Sportpsychologe kann auf Wunsch der sportlichen Leitung und bei entsprechender Betreuerquote nominiert werden und diese vor Ort, bei den Olympischen Spielen betreuen. Die nominierten Sportpsychologen sollen allerdings im Bedarfs- und Verfügungsfall nicht nur für den regulär betreuten Verband, sondern auch - nach Abstimmung - für kleinere Teilmannschaften zur Verfügung stehen können, wie es auch mit den von den Verbänden vorgeschlagenen Ärzten praktiziert wird.
Welche Vorbereitungen müssen im Vorfeld getroffen werden, um eine gute Betreuung vor Ort zu gewährleisten?
Neben den oben angesprochen Vorbereitungstreffen, die durch die ZKS / DOSB organisiert werden und die die Vernetzung der Sportpsychologen untereinander aber auch die Kommunikation zwischen Ärzten / Physiotherapeuten und Sportpsychologen optimieren sollen, ist natürlich die vorangegangene Arbeit des Sportpsychologen im Verband und mit den Trainern eine wichtige Voraussetzung um die Qualität der Betreuung vor Ort zu gewährleisten. Neben dem schon angesprochenen Vertrauensverhältnis ist die Vermittlung und Etablierung kognitiver Fertigkeiten im Vorfeld ein weiterer wichtiger Baustein.
Hat sich an der Offenheit gegenüber Ihrer sportpsychologischen Arbeit mit Spitzensportlern im Vergleich zu den letzten Olympischen Spielen oder in den letzten Jahren etwas verändert? (durch erhöhtes Medieninteresse etc.)?
In vielen Spitzenverbänden sind Sportpsychologen seit 2002 normaler Bestandteil des Funktionsteams. Das Medieninteresse hat sich auch etwas beruhigt, der Sportpsychologe gehört dazu wie eben der Physiotherapeut auch. Der Umgang hat sich normalisiert – aber auch die Erwartungshaltungen sind realistisch geworden. Auch die Medien haben verstanden, dass der Sportpsychologe kein Zauberer oder Medaillenbringer ist, sondern lediglich einen Faktor der Leistung, die psychische oder mentale Leistungsfähigkeit, anspricht.
Gibt es standardisierte, festgelegt Serviceangebote für die Sportler oder verläuft die Arbeit des Einzelnen individuell und auf die (spontanen) Bedürfnisse der Sportler angepasst?
Aus den Berichten, die die Sportpsychologen uns jährlich einreichen, konnten wir feststellen, dass die inhaltliche Bandbreite der Fragestellungen mit denen sich die Teampsychologen innerhalb der Verbände beschäftigen sehr groß ist. Mit Abstand die häufigsten Nennungen finden sich in den Themenfeldern: Wettkampfvorbereitung, Mentales (Technik- bzw. Ablauf-) Training, Selbstregulation und kognitive Umstrukturierung, Konzentration und Aufmerksamkeitslenkung, Teambildung sowie Psychoregulation. Methodisch werden die Fragestellungen dabei von den Kollegen teilweise sehr unterschiedlich angegangen (Heterogenität der Methoden). Alle aufgeführten Methoden gelten aber durchweg als wissenschaftlich anerkannt und deuten auf ein hohes fachliches Niveau hin.